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Zeittafel zu Kapitel 3

1848 Am 2. Dezember verzichtet Kaiser Ferdinand auf den Thron. Sein Nachfolger ist der 18jährige Franz Joseph I.

Franz Joseph I. 1849

1849 In Kremsier arbeiten die Abgeordneten eine für damalige Verhältnisse recht demokratische Verfassung aus: der Kaiser soll mit seinem Veto Gesetze nur mehr aufschieben, aber nicht verhindern können. Doch bevor der Reichstag diese Verfassung beschließen kann, löst ihn der Kaiser am 7. März 1849 einfach auf und lässt die Reichstagsräume militärisch besetzen.

1849 Im März erlässt Kaiser Franz Joseph eine Verfassung. Sie wird als "oktroyierte Märzverfassung" bezeichnet. Oktroyiert bedeutet aufgezwungen. Der Reichstag soll wieder aus einem Ober- und einem Unterhaus bestehen. Ein Reichsrat soll den Kaiser beraten. Doch nur der Reichsrat tritt auch wirklich in Funktion, der Reichstag wird nie gewählt.

1851 Zu Silvester erlässt der Kaiser eine Verordnung - das "Silvesterpatent" - nach der die Monarchie auch formal wieder zum Absolutismus zurückkehrt. Die Pressefreiheit wird offiziell abgeschafft, Gerichtsverfahren sind nicht mehr öffentlich.

1859 Im italienischen Befreiungskrieg unterliegen die österreichischen Truppen in der Schlacht von Solferino. Österreich muss die Lombardei abtreten. Die Kosten des Kriegs verursachen eine außerordentliche Finanznot und es kommt wieder zu Protesten aus der Bevölkerung.

Schlacht bei Solferino

1860 Der Kaiser erlässt das "Oktoberdiplom". Ein Reichsrat soll gebildet werden. Seine Mitglieder will der Kaiser teils selber einsetzen, teils sollen sie von den Landtagen gewählt werden. Doch dieser Reichsrat soll keine Gesetze erlassen können, sondern nur an ihrer Ausarbeitung "mitwirken". Gegen das Oktoberdiplom wehrt sich vor allem das ungarische Bürgertum, das die Verfassung von 1847/48 wieder in Kraft gesetzt haben will, und setzt als Kampfmittel Steuerverweigerung ein.

1861 Also erlässt der Kaiser das "Februar-Patent". Der Reichsrat soll wieder einmal aus zwei Kammern bestehen, dem Herrenhaus und dem Abgeordnetenhaus. Im Herrenhaus sollen hohe Adelige, Erzbischöfe und Bischöfe sowie vom Kaiser ernannte Würdenträger sitzen. Die Abgeordneten sollen durch die Landtage ausgewählt werden, die Landtage von Männern gewählt werden, die einen Mindestbetrag an Steuern zahlen. Dabei soll es einen "erweiterten Reichsrat" geben, der die Abgeordneten der Länder der ungarischen Krone einschließt, und einen "engeren Reichsrat" für die Länder diesseits der Leitha. Dieses Parlament soll nun auch wirklich zusammentreten.

Das Herrenhaus tagt im Niederösterreichischen Landtag, für das Abgeordnetenhaus wird rasch beim Schottentor ein provisorischer Holzbau errichtet.
Die Mitglieder des Herrenhauses fahren zur Eröffnungssitzung vor
Sitzung im provisorischen Abgeordnetenhaus

1861 Doch der ungarische Landtag weigert sich, Abgeordnete in den Reichsrat zu entsenden, auch der kroatische Landtag wählt keine Abgeordneten. Die polnischen Abgeordneten erscheinen erst später, und als im Jahre 1863 auch die Abgeordneten aus Siebenbürgen eintreffen, haben die Polen und die Tschechen das Abgeordnetenhaus bereits wieder verlassen. Hier zeigt sich schon, dass die Versuche, zu einer einheitlichen Regierung des gesamten Habsburgerreiches zu kommen, überholt sind.

1865 Der Kaiser hebt das Grundgesetz über die Reichsvertretung vorläufig wieder auf.

1866 Die österreichische Armee unterliegt im Krieg mit Preußen in der Schlacht bei Königgrätz. Infolge der Niederlage verliert Österreich Venetien an Italien. Das gibt den Forderungen der nichtdeutschen Nationalitäten, vor allem der Ungarn, wieder Auftrieb.

1867 Der Kaiser muss das ungarische Staatsrecht einschließlich der revolutionären Errungenschaften von 1848 wiederherstellen. Das Verhältnis zwischen den beiden Reichsteilen wird im sogenannten "Ausgleich" neu geregelt: Außenpolitk und Kriegswesen bleiben gemeinsame Angelegenheit der beiden Staaten. Gemeinsames Staatsoberhaupt bleibt der Kaiser, der nun auch zum König von Ungarn gekrönt wird. Innenpolitisch wird Ungarn praktisch unabhängig. In vielen Belangen ist die ungarische Reichshälfte liberaler. Gleichzeitig wird aber Ungarisch zur alleinigen Staatsprache erklärt, obwohl die Magyaren nur 50% der Bevölkerung ausmachen. Ein ungerechtes Wahlsystem sichert die Vorherrschaft der Magyaren. Kroaten und andere Nationalitäten bleiben weiterhin benachteiligt.

Die Teilung der Habsburgermonarchie. Rosa: Österreich, grün: Ungarn

Das Wahlsystem der österreichischen ("cisleithanischen") Reichshälfte ist ein sogenanntes "Kurienwahlrecht", das die Besitzenden begünstigt. Die Wählerschaft - immer noch nur die Männer über 24 - ist in vier Gruppen eingeteilt: die Kurie der Großgrundbesitzer, die Kurie der Handels- und Gewerbekammern, die Kurie der Städte, Märkte und Industrieorte, und die Kurie der Landgemeinden. Jede Kurie verfügt über eine bestimmte Anzahl an Parlamentssitzen. In den Städten und Landgemeinden haben auch nur diejenigen Männer das Wahlrecht, die mindestens 10 Gulden Steuer zahlen. Der Großteil der Bevölkerung bleibt vom Wahlrecht ausgeschlossen, die Stimmen der Großgrundbesitzer zählen am meisten. Es sind vor allem die Arbeiter, die ab jetzt durch politische Propaganda, mit Streiks und Demonstrationen für die Ausweitung des Wahlrechts zum allgemeinen und gleichen Wahlrecht kämpfen.

1867 wird auch ein neues Vereinsrecht erkämpft. Der Gumpendorfer Arbeiterbildungsverein wird gegründet.

1872 gibt es schon 59 Arbeiterbildungs- und 78 Gewerkschaftsvereine mit zusammen etwa 80.000 Mitgliedern.

1874 schließen sich auf einem geheimen Parteitag in Neudörfl im Burgenland verschiedene Vereine zur Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs zusammen. Doch zerfällt diese Partei rasch in einen "radikalen" und einen "gemäßigten" Flügel.

1882 wird die Mindeststeuerleistung, die zur Teilnahme an den Reichsratswahlen berechtigt, auf 5 Gulden verringert.

1883 wird das Reichsratsgebäude an der Ringstraße fertiggestellt. Architekt: Theophil Hansen.

Das neue Reichsratsgebäude
Theophil Hansen, der Architekt des Reichsratsgebäudes
Die erste Sitzung im neuen Parlamentsgebäude

1888/89 Auf dem Hainfelder Einigungsparteitag wird die Sozialdemokratische Arbeiterpartei neu gegründet. Das ist die erste als Verein mit zahlenden Mitgliedern organisierte politische Partei, so wie wir sie heute kennen.

1892 wird der Christliche Arbeiterverein gegründet, der später in der Christlichsozialen Partei aufgehen wird.

1892 Obwohl die Forderung nach dem allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht ohne Unterschied des Geschlechts in das Parteiprogramm der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs (SDAPÖ) aufgenommen worden ist, findet sie wenig Unterstützung bei den männlichen Parteimitgliedern.

1896 muss der Reichsrat unter dem Druck großer Straßendemonstrationen eine fünfte, "allgemeine" Kurie einführen, für die keine Mindeststeuerleistung notwendig ist. Statt bisher 1,7 Millionen sind nun auf einen Schlag 5,3 Millionen Männer wahlberechtigt. Doch das Wahlrecht begünstigt immer noch die Reichen: In der Kurie der Großgrundbesitzer wählen ungefähr 5000 Wahlberechtigte 85 der 425 Abgeordneten, während in der allgemeinen Kurie auf 5,3 Millionen Wähler nur 72 Abgeordnete kommen! Das heißt: Ein Abgeordneter der Großgrundbesitzer braucht 59 Stimmen, um gewählt zu werden, doch ein ein Abgeordneter der allgemeinen Kurie braucht 73.000 Stimmen! Zum ersten Mal ziehen sozialdemokratische Abgeordnete - es sind 14 - in den Reichsrat ein.

Aufruf zur Wählerversammlung in der 5. Kurie
Die ersten sozialdemokratischen Abgeordneten

1897 Ministerpräsident Graf Badeni, ein gebürtiger Pole, erlässt eine Sprachenverordnung, nach der in Böhmen und Mähren neben dem Deutschen das Tschechische als Amtssprache zugelassen ist. Beamte, die neu in den Dienst treten, sollen beide Sprachen beherrschen. Das deutschsprachige Bürgertum nicht nur in Böhmen und Mähren sondern in der gesamten österreichischen Reichshälfte sieht seine Privilegien bedroht. Im Reichsrat gibt es immer wieder Tumulte, die Parteien debattieren nicht mehr, sondern verhindern Debatten und Beschlüsse durch Dauerreden, Lärmkundgebungen und andere Maßnahmen.

Die deutsche Fraktion protestiert mit Tumulten gegen Badenis Sprachenverordnung. Die Polizei greift ein.
Die "Jungtschechen" protestieren mit Lärmkundgebungen gegen die Aufhebung der Sprachenverordnung

1905 Revolution in Russland. Die österreichischen Arbeiter nützen die gute Wirtschaftslage, um mit einem Generalstreik das allgemeine und gleiche Wahlrecht zu erkämpfen. Im November marschieren 250.000 über die Ringstraße. Die sozialdemokratische Frauenbewegung verzichtet entsprechend der Direktive der Partei auf ihren Anspruch auf das Frauenwahlrecht, um nicht die Erlangung des Männerwahlrechts zu gefährden.

Demonstration für das allgemeine gleiche Wahlrecht

1905 Bürgerliche Frauen, die jeden Anschluss an eine politische Partei ablehnen, stellen zur gleichen Zeit die Forderung nach dem Frauenstimmrecht und gründen 1905 zu diesem Zweck ein "Frauenstimmrechtskomitee". Doch das Vereinsrecht von 1867 verbietet es Frauen, einen politischen Verein zu gründen.

1907 findet die erste Reichsratswahl statt, bei der jede Stimme wenigstens annähernd gleich viel zählt. Von 4,5 Millionen Stimmen erhält die Sozialdemokratische Partei 1 Million (22%), und damit 87 von 516 Abgeordnetensitzen (16%). Damit ist sie die stärkste einzelne Partei im Reichsrat. Andere wichtige Fraktionen sind die Christlichsozialen, die Deutschnationalen und der Polenklub. Insgesamt gibt es 30 politische Parteien oder Gruppierungen. Acht Nationen sind im Reichsrat vertreten. Dass das Frauenstimmrecht nicht eingeführt wird, begründet das Parlament so: „Die Mehrheit des Ausschusses ging von der Erwägung aus, dass bisher in allen Staaten Europas, in denen das allgemeine Wahlrecht eingeführt wurde, die Frauen unberücksichtigt blieben und dass es sehr bedenklich wäre, gerade in Österreich im Zeitpunkte einer tiefgreifenden politischen Evolution den Versuch, die Frauen zur Teilnahme am politischen Leben heranzuziehen zu unternehmen.“

Demonstration für das Frauenwahlrecht 1911
Karikatur zur Frauendemonstration.
Die Arbeiterinnen: "Sehgn's, Fräul'n, jetzt ziahg'n mir die Hosen an!"

1918 Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges (1914-1918) und der Niederlage der österreichisch-ungarischen Monarchie zerfällt die Habsburgermonarchie. Die Provisorische Nationalversammlung proklamiert aufgrund der Oktoberverfassung die demokratische Republik Deutsch-Österreich (12. November 1918). Mit dem Gesetz vom 12. November 1918 über die Staats- und Regierungsform erlangen auch die Frauen das allgemeine und gleiche Wahlrecht.

Ausrufung der Republik vor dem Parlamentsgebäude
Die erste Sitzung der Provisorischen Nationalversammlung im Niederösterreichischen Landhaus
Frauen gehen zur Wahl
Wahlplakat der Christlichsozialen Partei
Wahlplakat der Sozialdemokratischen Partei
Die ersten Frauen im Parlament

1920 Bundesverfassungsgesetz: Österreich ist eine parlamentarische Demokratie mit einem Zweikammernsystem (National- und Bundesrat); das Parlament ist das zentrale und führende Staatsorgan. Die Wahl der Abgeordneten zum Nationalrat erfolgt in einer direkten, freien, gleichen und geheimen Wahl; die Abgeordneten des Bundesrats werden von den Landtagen beschickt.


Wiener Forum für Demokratie und Menschenrechte
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Martin Auer
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